Veröffentlicht am: 2024-05-29|Maik Kassel
Wie entstand "Jenseits der Dächer"?
In diesem Blogpost will ich euch auf eine Reise mitnehmen und ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, wie mein Debütroman „Jenseits der Dächer“ entstanden ist.
Dafür muss ich etwas ausholen. Fantasy Romane habe ich schon fast mein ganzes Leben geschrieben. Und ja – der Anspruch war immer, Romane zu schreiben. Keine Fanfics (auch, wenn ich dir in meiner Jugend sehr gern gelesen habe!) – es waren direkt Romanprojekte. Sogar mit der Ambition, sie zu veröffentlichen.
Das war natürlich haarsträubend unrealistisch, wenn man bedenkt, dass ich meinen ersten Gehversuch dahingehend mit zehn Jahren hatte, aber wie das als Kind nun mal so ist, hatte ich noch kein Gefühl dafür, was realistisch ist. Allerdings konnte ich damals schon sehr auf die Unterstützung meiner Eltern bauen. Meine Mutter motivierte mich, immer weiterzumachen und mein Vater hat sogar den (ziemlich furchtbaren, ich habe das „Manuskript“ noch) ersten, halbfertigen Text, den ich damals geschrieben habe, auf unserer Familienhomepage hochgeladen. Kleinere Projekte folgten, die ich in den meisten Fällen nie auch nur ansatzweise abgeschlossen habe.
Meinen ersten abgeschlossenen Roman habe ich dann mit fünfzehn Jahren angefangen und mit achtzehn Jahren beendet. Das Projekt trug den Namen „Nordlicht – Martyrium der Ewigkeit“. 120.000 Wörter, keine Struktur, eine sehr krude Handlung und erbarmungslos flache Charaktere – aber die Grundidee und die Welt stimmten. Sowohl der erste Text, den ich mit zehn Jahren geschrieben habe, als auch das „alte“ Nordlicht spielten bereits in Maisteff, aber die Welt hat natürlich viele Veränderungen und vor allem eine Menge Verfeinerungen über die Jahre hinweg erfahren.
Trotzdem war „Nordlicht“ für mich ein sehr wichtiger Schritt. Ich glaube, viele Autoren haben diese eine Geschichte im Kopf, die sie unbedingt erzählen wollten. Für mich war und ist das immer noch „Nordlicht“. In den folgenden Jahren habe ich immer wieder versucht, die Geschichte neu aufzulegen, bis ich dann im Zuge der Corona Pandemie den jüngsten Anlauf begonnen habe.
Nicht nur, dass mir dieses Mal ein paar Jahre mehr Schreiberfahrung zugutekamen, die sich vor allem durch intensives Textrollenspiel gefestigt hat: Im Zuge des Schreibprozesses des „neuen“ Nordlichts habe ich auch angefangen, mich mit Ratgebern, Vorlesungen und Video Essays mehr und mehr mit Erzähltechniken und dem „Handwerkszeug“ zu befassen, das es braucht, um einen guten Roman zu schreiben. Im Zuge dieses Projekts habe ich unfassbar viel gelernt, wobei ich vor allem Brandon Sandersons „Writing Science Fiction and Fantasy“ Vorlesung an der BYU hervorheben möchte, die Sanderson frei zugänglich auf Youtube hochgeladen hat. Ich glaube, in diesem Kurs habe ich mehr gelernt, als in meinem gesamten Bachelor- und Masterstudium zusammen.
Das „neue“ Nordlicht habe ich irgendwann 2021 (so gut wie) beendet. Mit 220.000 Wörtern ist der Roman ein wahrer Koloss geworden. Schätzungsweise 800 Taschenbuchseiten – dabei ist es nur der erste von vier geplanten Teilen einer Reihe. Trotzdem konnte ich es kaum erwarten, Nordlicht zu veröffentlichen.
Offensichtlich kam es anders, immerhin geht es hier nicht um die Entstehungsgeschichte von „Nordlicht“, sondern von „Jenseits der Dächer“ – aber wieso? Den Anstoß dafür hat ein Besuch von meinem guten Freund Lucas und seiner Freundin Julia gegeben. Mit Lucas habe ich mich schon in den Monaten und Jahren davor viel übers Schreiben ausgetauscht und so kamen wir auch bei dem Besuch wieder auf Nordlicht zu sprechen und darauf, dass ich kaum erwarten kann, es zu korrigieren, sowie testlesen und lektorieren zu lassen, damit ich es veröffentlichen kann. Julia hat dann (sinngemäß) Folgendes angemerkt:
„800 Seiten? Meinst du nicht, das ist etwas lang für deinen ersten Roman?“
Guter Punkt, oder? Das war zwar definitiv nicht Grund genug, um meine Pläne zu verwerfen, immerhin liebe ich selbst lange Fantasy Reihen über alles – und ich denke, vielen von euch geht es ähnlich –, aber es hat den Anstoß gegeben, nochmal zu reflektieren.
Während ich das „neue“ Nordlicht geschrieben habe, habe ich unfassbar viel gelernt. Ich hatte noch nie in meinem Leben so viel Spaß daran gehabt, etwas zu lernen, aber es bedeutete im Umkehrschluss eben auch, dass ich gerade im ersten Drittel noch sehr blauäugig an die Sache herangegangen war. Dazu will ich sagen, dass ich bis dahin meine Romane nie geplant hatte. Eine „Outline“, wie man es so schön nennt, hatte ich nie. Ebenso wenig wie ein Settingdokument oder ein Wiki.
Das hat so gut geklappt, wie ihr euch wahrscheinlich denken könnt. Immerhin hatte ich ein bisschen dazugelernt und so habe ich im Zuge des Schreibens vom „neuen“ Nordlicht ein Settingdokument und ein Wiki angelegt. Weiter als zwei oder drei Kapitel im Voraus habe ich trotzdem nie geplant, nur die Kernpfeiler der Handlung hatte ich von Anfang an verschriftlicht.
Einige von euch wissen vermutlich, dass das an sich nichts Ungewöhnliches ist. Stephen King und George R. R. Martin sind wohl die bekanntesten „Discovery Writer“, die ohne Outline schreiben. Aber das ist eben nicht für jeden etwas – und weil ich zu dem Zeitpunkt einfach noch nicht wusste, was gut für mich funktioniert, habe ich beschlossen, der Sache mal eine Chance zu geben.
Glücklicherweise bin ich etwa um diese Zeit auf ein Konzept gestoßen, das dazu die perfekte Möglichkeit bereitstellte. Eine Autorenchallenge, den „NaNoWriMo“.
Der „NaNoWriMo“ – National Novel Writing Month – kommt ursprünglich aus den USA und lässt sich runterbrechen auf „Schreib ein Buch in einem Monat“. In Rückbezug auf Julias Worte und unter Berücksichtigung der Challenge, habe ich also die Idee gefasst, ein viel kürzeres Buch zu schreiben. Mit Outline, geplanten Charakteren, einem kompakteren Setting und einer klar strukturierten Handlung.
Ja, richtig gelesen, „Jenseits der Dächer“ sollte ein kurzes Buch werden. Wer schonmal auf die Amazon Seite geschaut hat, dem dürfte die Seitenanzahl aufgefallen sein: 509 Seiten. Das hat also schonmal nicht geklappt. Aber der Rest?
Der Oktober 2021 kam und ab jetzt habe ich auch eine genauere Timeline für euch, denn ab hier habe ich angefangen, meinen Schreibprozess zu dokumentieren. Ich habe die Stunden aufgeschrieben, die ich an meinen Projekten arbeite, habe mir Monats- und Jahrespläne erstellt und immer wieder innegehalten, um zu rekapitulieren, wie es mit der Arbeit an meinen Büchern vorangeht, was gut und was weniger gut funktioniert hat.
Der Oktober wird in der „NaNoWriMo“ Community auch „Preptober“ genannt. Hier war Zeit, das Setting zu definieren und zu verschriftlichen, die Charaktere zu entwerfen und die Outline aufzustellen. Ich hatte das Glück, mit Tanja, die auch das wundervolle Cover für Jenseits der Dächer entworfen hat, regelmäßig Sitzungen abhalten zu können, bei denen wir über die Outline gesprochen haben. Das Gefühl, über eine noch nicht in Manuskriptform gebrachte Handlung zu sprechen, war zunächst sehr befremdlich für mich. Noch mehr, als ich dann angefangen habe, stellenweise wirklich große Dinge umzuwerfen. In diesem Monat habe ich eine ganz neue Einstellung zur Selbstkritik entdeckt und gelernt, wie wichtig es ist, nicht alles in Stein gemeißelt zu sehen, was man sich ausgedacht hat.
Ich habe die Outline mit Tanjas Unterstützung verfeinert, immer wieder neue Ideen für das Setting bekommen, die Charaktere angelegt, erste Szenen zu ihrem Hintergrund geschrieben, um mich besser in sie hineinfühlen zu können und gemerkt, dass für mich eine nach Akten und Kapiteln strukturierte Outline sehr gut funktioniert.
Sechsundsechzig Stunden habe ich im Oktober 2021 damit verbracht, mich auf das Schreiben der Rohfassung vorzubereiten. Velis Van hat sich als das perfekte Setting für dieses Projekt herausgestellt. Ich habe eine sehr grobe Timeline von Maisteff schon 2012 (nein, kein Tippfehler) verschriftlicht, von der nicht viel überlebt hat, aber das historische Ereignis, um das sich „Jenseits der Dächer“ dreht, existierte damals schon. Ebenso wie eine sehr rudimentäre Grundfassung der Vel-Kultur, von der aber so gut wie nichts geblieben ist. Ich konnte es kaum erwarten, endlich mit dem Schreiben anzufangen und so kam der November.
Das erste Kapitel, mit dem „Jenseits der Dächer“ auch nach all den Überarbeitung noch beginnt, habe ich in der Nacht vom 30.10.2021 auf den 01.11.2021 nach 0 Uhr geschrieben. Fünf Stunden lang. Mir ist schnell klargeworden, wie unfassbar sehr es mir hilft, die Outline zu haben, zu wissen, was in dem Buch alles passieren soll und die wichtigsten Charaktere schon ausgearbeitet zu haben.
Der November 2021 war wohl einer der produktivsten Monate meines Lebens. Normalerweise liegt das Ziel vom „NaNoWriMo“ bei einem 50.000 Wörter Buch. Ich habe es nicht mehr vollständig im Kopf, weil ich keine Kopie der Rohfassung mehr am PC habe, aber wenn ich mich recht entsinne, hatte die erste Fassung von „Jenseits der Dächer“ rund 120.000 Wörter – und dafür hatte ich nicht einmal den ganzen November gebraucht. Am 25.11 war ich fertig und habe, vollmotiviert, direkt mit dem Überarbeiten begonnen.
Bis auf zwei Tage, an denen ich Pause gemacht habe, habe ich an jedem Tag bis zum 25ten zwischen vier und sieben Stunden an „Jenseits der Dächer“ geschrieben. Das war ein ganz anderes Erlebnis als die Arbeit an Nordlicht. Die ganze Vorbereitung hatte sich ausgezahlt, denn noch nie war es mir so leichtgefallen, zu schreiben.
Der Entschluss, dass „Jenseits der Dächer“ mein Debütroman werden würde, stand schnell fest. Alles fühlte sich viel runder, viel besser und viel fertiger an als bei „Nordlicht“. Ich dachte mir, dass ich bei Nordlicht sicherlich viel mehr überarbeiten, mehrere ganze Kapitel neuschreiben und ganze Charaktere umwerfen müsste, um an die Qualität von „Jenseits der Dächer“ dranzukommen – und ich sollte Recht behalten.
Eine Sache war mir damals allerdings noch überhaupt nicht bewusst: Die „Rohfassung“ heißt nicht ohne Grund so. Wie viel Zeit, Mühe und Aufwand noch anstand, bevor aus einer Rohfassung etwas wurde, das ich mit gutem Gewissen der Welt präsentieren kann … diese Lektion wartete noch auf mich.
Dezember 2021. Ich saß also vor zwei Rohfassungen, die einen gravierenden Qualitätsunterschied zueinander aufwiesen. Noch voller Motivation vom „NaNoWriMo“ begab ich mich daran, „Jenseits der Dächer“ zu korrigieren. Inhaltliche Korrektur, Line Edit – ohje, bald geht es zu den Testlesern, lieber nochmal einen Korrekturdurchlauf um möglichst viel rauszuholen, Testleserfeedback umsetzen, vor dem Lektorat nochmal korrigieren, nach dem Lektorat das Feedback umsetzen, inhaltliche Schwachstellen und dünnen Hintergrund an Stellen ausbessern, die Testlesern und Lektorat aufgefallen waren, nochmal eine stilistische Korrektur vor der zweiten Testleserrunde, deren Feedback umsetzen und nochmal fürs Korrektorat aufpolieren, das Korrektoratsfeedback umsetzen, Proofread, Buchsatz, nochmal ein letztes Mal korrigieren und – hui. Auf einmal sind über zwei Jahre vergangen.
Manch einer von euch mag es schon ab dem Moment vermutet haben, wo das erste Mal die Zahl „2021“ auftauchte: Die Überarbeitung von „Jenseits der Dächer“ war ein Fass ohne Boden. All die Jahre zuvor habe ich mich immer dagegen gesträubt, viel zu überarbeiten, weil es mir einfach keinen Spaß gemacht hatte. Dann habe ich angefangen, mich weiterzubilden und habe spürbare Verbesserungen mit jeder iterativen Überarbeitung gemerkt. Plötzlich hat das Überarbeiten nicht nur viel Spaß gemacht, ich habe auch gemerkt, dass das Buch wirklich gut werden kann, wenn ich nur dranbleibe.
Dazu sei gesagt, dass nicht alles nur Rosen und Sonnenschein war. Mitgezählt habt ihr vermutlich nicht, aber abzüglich des Buchsatzes gab es dreizehn (!) Korrekturdurchläufe für „Jenseits der Dächer“ – und das war nicht alles. Parallel habe ich Nordlicht auch immer weiter korrigiert und zwei weitere Romanprojekte vorangebracht. In Summe gab es also ziemlich viele Überarbeitungen und irgendwann haben sich da auch wieder die Schattenseiten gezeigt. Schwierig war es vor allem, einen Schlussstrich zu ziehen. Den Punkt zu finden, wo ich sagen konnte: „Jap. Das ist es. So veröffentliche ich es.“
„Real artists ship“.
Ich musste gerade recherchieren, von wem das Zitat ist. (Antwort: Steve Jobs) Ich hab’s tatsächlich zum ersten Mal in der Musikszene gehört, wo ich vor meiner Aktivität als Autor tätig war und mit den wundervollen Jungs von „In Dreams of Reality“ ein Album und zwei EPs veröffentlicht habe. Dementsprechend hatte ich das Paradigma auch verinnerlicht, aber zeitgleich auch die Erfahrung auf dem Kerbholz, dass das erste Album von „In Dreams of Reality“ … mäßig war. Wir haben zu früh „geshipped“.
Es galt also, den schmalen Grat zwischen endloser Überarbeitung und zu früher Veröffentlichung zu begehen. An der Stelle will ich ein großes „Danke“ an Heike Wolf rausschicken, die unter anderem die wundervollen Al’Anfa Romane „Rabengeflüster“, „Rabenerbe“ und „Rabenbund“ für Das Schwarze Auge geschrieben hat und die ich inzwischen zu meinen guten Freunden zähle. Heike hat mir als Mentorin immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden, das Korrektorat für „Jenseits der Dächer“ übernommen und mir vor allem bei der Einschätzung geholfen, wann das Buch reif für die Veröffentlichung ist.
Somit blieben noch drei große Hürden vor der Veröffentlichung: Buchsatz, Cover und Marketing. Glücklicherweise hatte ich bei allem drei Hilfe, ohne die ich es vermutlich niemals geschafft hätte, das umzusetzen.
nehelyn hat das wundervolle Cover designed, ebenso wie die Kapitelvignetten, die Landkarten und die Illustrationen der Banner im Buch (sowie so gut wie alles Andere an grafischem „Zeug“, das ihr hier auf Social Media und/oder meiner Website seht).
Christopher Abendroth hat ein unfassbar hilfreiches Video zum Thema Buchsatz veröffentlicht, ironischerweise genau zur rechten Zeit, nachdem ich gerade tagelang daran verzweifelt war, das selbst auf die Kette zu kriegen. (Vielen lieben Dank nochmal dafür <3)
Und zu guter Letzt haben mein Bruder Marc und seine Freundin Sarah die fantastische Website auf die Beine gestellt, auf der ihr diesen Blog gerade lest! Aus Sarahs Feder stammt übrigens auch das Maisteff Creations Logo.
Falls euch diese Einblicke gefallen haben, folgt mir gern auf Social Media. Vor allem auf Instagram und Facebook gibt es oft tiefe Einblicke in den Entstehungsprozess. Abonniert ansonsten gern meinen Newsletter, der euch auf dem Laufenden hält, was Veröffentlichungen im Maisteff Universum betrifft.
Und noch viel wichtiger: Wenn ihr es noch nicht getan habt: Lest „Jenseits der Dächer“! Eine größere Freude könnt ihr mir kaum machen. Vielleicht, indem ihr, sobald ihr es gelesen habt, eine Rezension hinterlasst. Das wäre wirklich phänomenal großartig!